Merkmale
Bei Männern, die unter einem Ejaculatio Praecox leiden, tritt vorzeitiger Samenerguss unkontrolliert bzw. frühzeitig also bereits nach einer minimalen sexuellen Stimulation bzw. vor, während oder kurz nach einer Vereinigung auf. Aber auf jeden Fall noch, bevor sie es selbst möchten. Bei der schweren Form kann eine Ejakulation noch bevor es zu einer Erektion gekommen ist bzw. noch vor einer Penetration einsetzen. Damit ein Ejaculatio Praecox sicher bestimmt werden kann, sollte die allgemeine sexuelle Erfahrung und die sexuelle Erfahrung mit dem Partner bzw. der Partnerin, die derzeitige Anzahl sexueller Kontakte und das Alter berücksichtigt werden, sowie die mögliche beeinträchtigende Wirkung von Substanzen (z.B. Entzugserscheinung von Opiaten). Zudem müssen Männer mit einem Ejaculatio Praecox unter den Symptomen der Störung deutlich leiden bzw. sollte das frühzeitige Ejakulieren zwischenmenschliche Probleme (in bestehenden Beziehungen, aber auch bei alleinlebenden Männern) mit sich bringen.
Verlauf
Die Dauer des Geschlechtsverkehrs hat sich in den letzten Jahrzehnten gesteigert und damit auch die Anzahl derer, die an Ejaculatio Praecox leiden. Das Problem betrifft hauptsächlich jüngere Männer. Die Mehrzahl der Betroffenen ist unter 30 Jahren.
Zahlen
Die Befundlage zu den sexuellen Funktionsstörungen gestaltet sich als äußerst dürftig. Die Daten, die zur Prävalenz der einzelnen sexuellen Dysfunktionen vorliegen, weisen enorme Unterschiede (Variabilität) auf, da sie entweder mit verschiedenen Verfahren erhoben wurden, verschiedene Definitionen der Störungen verwendeten oder Stichproben mit unterschiedlichen Merkmalen miteinbezogen.
Eine amerikanische Studie, die Personen im Alter zwischen 18 und 59 Jahren befragte, liefert eine Prävalenz für einen Ejaculatio Praecox von 27%.
Subtypen Ejaculatio Praecox
Bei allen sexuellen Funktionsstörungen wird hinsichtlich dem Anfangspunkt der Störung, den Umständen, innerhalb derer die Störung vorkommt, und den Ursachen für die Störung unterschieden.
Die frühzeitige Ejakulation gilt als „lebenslang“, wenn die sexuelle Funktionsstörung mit der geschlechtlichen Reife begonnen hat. Der Ejaculatio Praecox gilt als „erworben“, wenn er nach einem Zeitraum normaler sexueller Betätigung ihren Anfang genommen hat.
Der Ejaculatio Praecox kann auch mehrere verschiedene Situationen, Partner oder Arten der sexuellen Erregung betreffen und damit als „generalisiert“ bezeichnet werden. Er kann aber auch nur eine Situation, einen Partner oder eine Art der Stimulation betreffen und somit als „situativ“ gelten.
Der Ejaculatio Praecox kann sowohl durch psychische Faktoren alleine als auch durch psychische und körperliche Faktoren ausgelöst werden.
Therapien
Die unterschiedlichen Therapieverfahren versuchen auf Grund ihres unterschiedlichen Ursachenverständnisses, die sexuellen Funktionsstörungen auf unterschiedliche Weise zu behandeln.
Psychoanalyse
In der Psychoanalyse geht man davon aus, dass Personen mit einer sexuellen Funktionsstörung in ihrer Entwicklung bei einer der psychosexuellen Phasen (Freud unterscheidete die orale, anale, latenz und genitale Phase) zurückgeblieben sind. So soll der Patient in der Beziehung zum Analytiker alle Phasen der Kindheit nochmals durchleben, aber diesmal erfolgreich. Dadurch soll eine tiefreichende Umstrukturierung der Persönlichkeit erreicht werden.
Verhaltenstherapie
In der Verhaltenstherapie kommen hauptsächlich Muskelentspannungsübungen und Methoden, wie die systematische Desensibilisierung zum Einsatz, um die vorherrschende Angst bei sexuellen Funktionsstörungen zu reduzieren.
Sexualtherapie
Die wohl bekannteste Behandlungsmethode bei sexuellen Funktionsstörungen ist die von William Masters und Virginia Johnson (1970), welche auch unter der Bezeichnung „Sexualtherapie“ bekannt wurde. Das achtstufige Verfahren beinhaltet kognitive, verhaltenstherapeutische sowie auch kommunikative Techniken und setzt direkt beim sexuellen Problem an. Innerhalb von ca. 15 bis 20 Therapiestunden (Kurzzeittherapie) werden folgende standardmäßig angewandt:
- Diagnostik und Problemanalyse: Zuerst werden mögliche organische Probleme in einer medizinischen Untersuchung abgeklärt bzw. ausgeschlossen. Des Weiteren wird die bisherige sexuelle Erfahrung erfragt, um mögliche Ursachen und aufrechterhaltende Faktoren aufzudecken. Es kann dazu kommen, dass auch der Partner aktiv in die Therapie miteinbezogen wird.
- Beiderseitige Verantwortlichkeit: Der Patient/die Patienten sollen zur Einsicht gelangen, dass immer beide Partner zum sexuellen Problem beitragen, egal bei wem die Störung auftritt. Somit ist es immer hilfreicher, wenn beide die Therapie in Angriff nehmen.
- Information über Sexualität: Mit Hilfe von Gesprächen, Büchern und Videos versucht der Therapeut schließlich dem Patienten das Wissen zu Anatomie und Physiologie der sexuellen Reaktionen näherzubringen.
- Einstellungsänderung: In den nächsten Schritten sollen die Patienten ihre Einstellungen zur Sexualität, die augenscheinlich zur Hemmung der sexuellen Erregung und Lust beitragen, äußern. Der Therapeut versucht diese Einstellungen durch bestimmte Übungen zu verändern.
- Beseitigung von Leistungsangst und der Beobachterrolle: Vor allem bei Männern scheinen diese Faktoren eine Erregung zu erschweren und bestimmte sexuelle Funktionsstörungen aufrechtzuerhalten. Mit Hilfe von Techniken, wie „sensorische Fokussierung“ und „nicht forderndes Lustspenden“, sollen zunächst sexuelle Begegnungen auf Umarmungen, Küssen und Massagen des Körpers (ohne das Berühren von Brust oder Intimbereich) reduziert werden. Erst nach und nach werden weitere Handlungen erlaubt und somit die sexuelle Lust allmählich gesteigert.
- Verbesserung der sexuellen Kommunikationstechniken: Zudem übt der Therapeut mit den Patienten neue Strategien ein, wie Patienten auch während dem Geschlechtsakt miteinander kommunizieren können. Bei der sensorischen Fokussierung soll der Patient z.B. die Hand seines Partners führen. So kann er Geschwindigkeit, Druck und Ort der Liebkosungen und Streicheleinheiten bestimmen. Schließlich sollen verbale Hinweise immer positiv und informativ formuliert werden (sagen, was einem gefällt und dass es einem gefällt).
- Veränderung eines möglichen destruktiven Lebensstils und beeinträchtigender partnerschaftlicher Interaktionen. Natürlich werden in der Therapie auch die Lebensumstände des Patienten berücksichtigt und – wenn möglich – bearbeitet.
- Bearbeitung körperlicher und medizinischer Faktoren: Bereits zu Beginn der Therapie werden mögliche Faktoren, wie Krankheiten, Verletzungen, Medikamenteneinnahmen oder möglicher Substanzmissbrauch, die einen Einfluss auf die Ausbildung einer sexuellen Funktionsstörung haben können, abgeklärt.
Im Speziellen können bei Ejaculatio Praecox vor allem verhaltenstherapeutische Techniken helfen. In der Therapie werden Strategien eingeübt, die die Kontrollierbarkeit über eine Ejakulation trainieren sollen, wie z.B. das „Stop-Start“ oder „Pause“-Verfahren. Hierbei wird der Penis mit der Hand erigiert. Sobald eine angemessene Erektion erreicht ist, wird eine Pause eingelegt bis die Erektion zurückgegangen ist. Erst nach mehrmaligen Wiederholungen darf der Mann ejakulieren. Später kommen das Eindringen und die rhythmischen Bewegungen hinzu, bei denen die Ejakulation auch möglichst lange zurückgehalten werden soll. Auf diese Weise lernen betroffene Männer ihre Ejakulation zeitlich immer weiter hinauszuzögern. Des Weiteren werden auch serotonerge, antidepressive Medikamente bei der Behandlung des Ejaculatio Praecox eingesetzt.