Merkmale
Das Hauptcharakteristikum der Neurasthenie ist ein mindestens drei Monate anhaltender Zustand gesteigerter Müdigkeit und zwar schon nach geringsten geistigen oder körperlichen Anstrengungen. Diese bessert sich auch nach ausreichender Erholungszeit oder Bettruhe nicht. Obwohl dieses Störungsbild kulturell sehr unterschiedliche Erscheinungsformen aufweist, lassen sich zwei Hauptformen feststellen.
Geistige Ermüdung
Bei dieser Erscheinungsform der Neurasthenie steht die gesteigerte Ermüdbarkeit nach kognitiver Anstrengung im Mittelpunkt des Beschwerdebildes. Diese geistige Ermüdung wird als Konzentrationsschwäche, Vergesslichkeit, reduzierter Auffassungsgabe, störende und ablenkende Erinnerungen und Assoziationen und uneffektives Denken beschrieben und so sind eine verminderte Leistungsfähigkeit und Beeinträchtigung bei der Bewältigung alltäglicher Aufgaben die Folge.
Körperliche Erschöpfung
Bei der anderen Form der Neurasthenie liegt die Beschwerde in einer gesteigerten körperlichen Erschöpfung und Schwäche selbst nach geringsten Anstrengungen. Dieses Erschöpfungsgefühl wird von Muskel- oder anderen Schmerzen begleitet. Betroffene haben darüber hinaus Schwierigkeiten sich zu entspannen.
Bei beiden Erscheinungsformen treten weitere Symptome wie Schwindelgefühle, Spannungskopfschmerzen, Muskelschmerzen, Schlafprobleme, Unfähigkeit zu entspannen, erhöhte Reizbarkeit und Verdauungsstörungen auf. Auch depressive und Angstsymptome, sowie die Sorge über schwindendes geistiges und körperliches Wohlbefinden und Leistungsfähigkeit gehen häufig mit einer Neurasthenie einher.
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Verlauf
Die Neurasthenie zeigt häufig einen akuten Beginn mit grippeähnlichen Symptomen, kann aber auch schleichend beginnen. Der Verlauf ist variabel, Episoden von vermehrter Müdigkeit können unregelmäßig auftreten oder regelmäßig in kurzen Intervallen wiederkehren, aber auch chronisch vorhanden sein. Im Durchschnitt dauern die Beschwerden 50 Monate lang an.
Zahlen
Erschöpfung ist ein häufig auftretendes Symptom. 20-40% der Allgemeinbevölkerung geben an unter Müdigkeit und Erschöpfung zu leiden. Bei 7% halten die Beschwerden über 2 Wochen an. In Allgemeinarztpraxen ist die Neurasthenie mit 7,5% Betroffenen die dritthäufigste psychische Störung. Das Chronic Fatigue Syndrom hat aufgrund der engeren Definitionskriterien eine niedrigerer Prävalenz von maximal 0,5% in der Allgemeinbevölkerung und 0,3% in Allgemeinarztpraxen.
Subtypen
Bei diesem Störungsbild werden keine Subtypen unterschieden.
Therapie
Die Therapie der Neurasthenie ist schwierig, da die Ursachen der Störung noch nicht hinreichend bekannt sind. Häufig versuchen Betroffene eine Vielzahl an medizinischen und alternativ-medizinischen Behandlungsversuchen- oft ohne Erfolg.
Am erfolgversprechendsten für die Behandlung einer Neurasthenie gilt eine speziell adaptierte Verhaltenstherapie. Diese beinhaltet eine umfassende Psychoedukation über die aktuellsten wissenschaftlichen Theorien der Krankheitsentstehung und -aufrechterhaltung, eine Veränderung dysfunktionaler kognitiver Muster und ein individuell abgestimmtes, aufbauendes körperliches Training. Ziel des Trainings ist es, das Schonverhalten des Betroffenen, das sich oft aufgrund der Müdigkeit und Missempfindungen ergibt, zu reduzieren. Das Training erfolgt nach dem Grundsatz: So viel Belastung und Aktivität wie möglich, so viel Schonung wie nötig.
Da noch immer keine Einigkeit darüber besteht, ob die Neurasthenie eine grundsätzlich psychiatrische Erkrankung oder medizinische Erkrankung (im Sinne einer Systemerkrankung mit sekundären psychischen Störungen) ist, wird neben der klassischen Verhaltenstherapie, ein Krankheitsmanagement (Anpassung des Lebensstils) gefordert. Das sind Betreuungsansätze, die darauf abzielen, die Symptome zu stabilisieren bzw. zu vermindern und die psychischen und sozialen Folgeerscheinungen besser zu bewältigen. Treten depressive und Angstsymptome gleichzeitig auf, kann eine begleitende antidepressive Behandlung in Erwägung gezogen werden.