Multiple Persönlichkeit

Merkmale

Personen, die an einer multiplen Persönlichkeitsstörung leiden, weisen mindestens zwei verschiedene, eigenständige Identitäten (multiple Persönlichkeit) auf, die immer wieder versuchen ihr Verhalten zu kontrollieren. Die einzelnen Persönlichkeitszustände können jeweils unterschiedliche Namen, Altersstufen, verschiedene Sprachen, eine eigene Vergangenheit, ein eigenes Selbstbild und ein unterschiedliches Allgemeinwissen sowie eine unterschiedliche Grundstimmung besitzen. In der Regel gibt es jedoch eine primäre Identität. Diese hört auf den ursprünglichen Namen der Person und zeigt sich im Vergleich zu den anderen Identitäten eher zurückhaltend, niedergeschlagen und schuldig. Die anderen Identitäten wirken meist feindselig oder kontrollierend gegenüber den weiteren Identitäten und treten nur in bestimmten Situationen in Erscheinung.

Identitätsübergang

Um einen Übergang von einer Identität in die andere einzuleiten, versucht meist eine Identität, welche gerade nicht das Verhalten der Person bestimmt, durch akustische oder visuelle Eingebungen (Halluzinationen), in das Bewusstsein der Person vorzudringen. Die Person kann z.B. eine Stimme wahrnehmen, die ihr sagt, was sie als nächstes zu tun hat. Der Identitätswechsel vollzieht sich dann für gewöhnlich innerhalb weniger Sekunden. Die Übergänge finden vor allem in Zeiten psychischer oder sozialer Belastung statt.

Des Weiteren haben Personen mit einer multiplen Persönlichkeitsstörung die Schwierigkeit, sich an persönliche Informationen z.B. an Ereignisse aus der Vergangenheit zu erinnern (dissoziative Amnesie). Dabei weisen die eher zurückhaltenden Identitäten wesentlich größere Erinnerungslücken auf als die Dominanten. Über die Amnesie sind sich die Betroffenen bzw. die einzelnen Identitäten oft nicht bewusst. Das psychische Krankheitsbild der multiplen Persönlichkeitsstörung kann nicht durch die Auswirkungen der Einnahme einer Substanz (Alkohol, Drogen, Medikamente) oder durch eine körperliche Erkrankung erklärt werden.

Nicht selten wurden Personen mit einer multiplen Persönlichkeitsstörung während ihrer Kindheit körperlich oder sexuell missbraucht und leben auch im Erwachsenenalter weiter in Beziehungen, in denen ihnen dieses Schicksal widerfährt. Außerdem können sie zusätzlich die Symptome, die für eine posttraumatische Belastungsstörung (Alpträume, Flashbacks), eine Depression (Niedergeschlagenheit), eine sexuelle, eine Ess-, eine Schlafstörung oder eine Borderline Persönlichkeitsstörung sprechen, aufweisen. Selbstverletzendes oder gar suizidales und aggressives Verhalten, sowie Migräne oder andere Formen von Kopfschmerzen, können ebenfalls vorkommen. Bei Messungen zur Hypnotisierbarkeit erlangen Betroffene meist hohe Werte.

Informationen über weitere psychische Erkrankungen finden Sie in der Wissensektion auf psycheplus.

Multiple Persönlichkeit – Verlauf

Die multiple Persönlichkeitsstörung zeigt ein fluktuierendes klinisches Verlaufsbild. Es kann sich eine Tendenz zur Chronifizierung mit einzelnen wiederauftretenden Episoden abwechseln. In der Regel wird die multiple Persönlichkeitsstörung erst sechs bis sieben Jahre nach dem Auftreten der ersten Symptome diagnostiziert. Weniger ausgeprägt zeigt sich die Störung bei Personen über 40. Doch in Zeiten mit vermehrt belastenden oder traumatischen Ereignissen oder in Verbindung mit einem Substanzmissbrauch (Alkohol, Medikamente, Drogen) kann sich die multiple Persönlichkeitsstörung erneut manifestieren.

Zahlen

Frauen erhalten die Diagnose einer multiplen Persönlichkeitsstörung bis zu neun Mal häufiger als Männer. Außerdem zeigt sich ein geschlechtsspezifischer Unterschied in der Anzahl der Identitäten, die eine Person in sich trägt. So können sich bei Männern durchschnittlich bis zu acht und bei Frauen sogar bis zu 15 Identitäten manifestieren.

In den letzten Jahrzehnten haben sich die Fälle von multiplen Persönlichkeitsstörungen gehäuft. Manche ForscherInnen sind der Meinung, dass die größere Aufmerksamkeit für die Diagnose dazu führte, dass mehr Fälle erkannt wurden. Genaue Zahlen zu den Prävalenzraten der multiplen Persönlichkeitsstörung liegen psycheplus zum jetzigen Zeitpunkt nicht vor.

Subtypen

Bei dem Störungsbild der multiplen Persönlichkeitsstörung werden keine Subtypen unterschieden.

Therapie

Personen mit einer multiplen Persönlichkeit erholen sich in den wenigsten Fällen spontan von ihrer Störung. Therapeuten liefern den Patienten Unterstützung beim Erkennen und Verstehen des vollen Ausmaßes ihrer Störung, helfen ihnen das Vergessene wieder herzustellen und ihre verschiedenen Identitäten zu einer zusammenzufügen.

Um die Erinnerungslücken wieder zu füllen, kommen wie bei der dissoziativen Amnesie und Fugue psychoanalytische Therapieansätze oder die Hypnosetherapie zum Einsatz. Allerdings stellt sich ein Fortschritt bei der multiplen Persönlichkeitsstörung nur sehr langsam ein, da die unterschiedlichen Identitäten gegen ein Erinnern ankämpfen können. Auch das Endziel der Therapie – die Subidentitäten zu einer einzigen zu integrieren – scheint fragwürdig zu sein. Es müssen überzeugende Strategien gefunden werden, um die anderen Identitäten zu überzeugen, sich mehr oder weniger der Primäridentität unterzuordnen. Aktuell geben die wenigen Erhebungen noch keinen Aufschluss darüber, welche Behandlung bei der multiplen Persönlichkeitsstörung wirklich erfolgsversprechend ist und ob überhaupt eine Integration der einzelnen Identitäten sinnvoll bzw. notwendig ist.

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