Merkmale
Personen, die von einer Dyspareunie betroffen sind, leiden unter schmerzenden Geschlechtsorganen während dem Geschlechtsverkehr. In seltenen Fällen beginnen die Schmerzen auch bereits vor oder erst nach dem Koitus. Sie können dabei von leicht bis äußerst schmerzhaft und unerträglich reichen. Generell lassen sich die Schmerzen nicht durch körperliche Fehlbildungen erklären. Sollten die Symptome auf Vaginismus, eine z.B. zu gering befeuchtete Scheide, auf eine andere psychische Störung (z.B. Somatisierungsstörung), auf die Einnahme einer Substanz (z.B. Medikament) oder auf ein körperliches Krankheitsbild zurückgeführt werden können, dann liegt keine Dyspareunie vor. Es ist aber durchaus möglich, dass die genitalen Schmerzen zusammen mit einer weiteren sexuellen Funktionsstörung auftreten (nur nicht mit einem Vaginismus).
Um eine Dyspareunie sicher bestimmen zu können, müssen die Betroffenen unter den Symptomen der sexuellen Funktionsstörung deutlich leiden bzw. sollten die genitalen Schmerzen zwischenmenschliche Probleme mit sich bringen. Durch das mehrfache Auftreten der Schmerzen beim Geschlechtsverkehr können Betroffene mit der Zeit sexuellen Kontakten ausweichen, bestehende Partnerschaften beenden oder nur zaghaft neue Beziehungen eingehen.
Verlauf
Zurzeit liegen keine genauen Befunde vor, so dass davon ausgegangen wird, dass die Dyspareunie vornehmlich chronisch verläuft.
Zahlen
Die Befundlage zu den sexuellen Funktionsstörungen ist äußerst problematisch. Die Daten, die zur Prävalenz der einzelnen Störungen vorliegen, weisen enorme Unterschiede (Variabilität) auf, da sie mit verschiedenen Verfahren erhoben wurden, bzw. verschiedene Definitionen der Störungen verwendeten oder Stichproben mit unterschiedlichen Merkmalen miteinbezogen.
Eine amerikanische Studie, die Personen im Alter zwischen 18 und 59 Jahren befragte, gibt eine Prävalenz von 3% bei Männern und 15% bei Frauen für Dyspareunie an.
Dyspareunie tritt gelegentlich bei Männern auf. Frauen sind wesentlich häufiger davon betroffen.
Subtypen
Bei allen sexuellen Funktionsstörungen wird hinsichtlich dem Anfangspunkt der Störung, den Umständen, innerhalb derer die Störung vorkommt und den Ursachen für die Störung unterschieden.
Die Dyspareunie gilt als „lebenslang“, wenn die Störung mit der geschlechtlichen Reife begonnen hat. Die sexuelle Funktionsstörung gilt als „erworben“, wenn die Schmerzen nach einem Zeitraum normaler sexueller Betätigung ihren Anfang genommen haben.
Schmerzen beim Geschlechtsverkehr können auch mehrere verschiedene Situationen, Partner oder Arten der sexuellen Erregung betreffen und damit als „generalisiert“ bezeichnet werden. Sie können aber auch nur eine Situation, einen Partner oder eine Art der Stimulation betreffen und somit als „situativ“ gelten.
Dyspareunie kann sowohl durch psychische Faktoren alleine als auch durch psychische und körperliche Faktoren ausgelöst werden.
Therapie
Die unterschiedlichen Therapieverfahren versuchen auf Grund ihres unterschiedlichen Ursachenverständnisses, die sexuellen Funktionsstörungen auf unterschiedliche Weise zu behandeln.
In der Psychoanalyse geht man davon aus, dass Personen mit einer sexuellen Funktionsstörung in ihrer Entwicklung bei einer der psychosexuellen Phasen (Siegmund Freud unterschied die anale, orale, latenz und genitale Phase) zurückgeblieben sind. So soll der Patient in der Beziehung zum Analytiker alle Phasen der Kindheit nochmals durchleben, aber diesmal erfolgreich. Dadurch soll eine tiefreichende Umstrukturierung der Persönlichkeit erreicht werden.
In der Verhaltenstherapie kommen hauptsächlich Muskelentspannungsübungen und Methoden, wie die systematische Desensibilisierung zum Einsatz, um die vorherrschende Angst bei den sexuellen Funktionsstörungen zu reduzieren.
Die wohl bekannteste Behandlungsmethode bei sexuellen Funktionsstörungen ist die von William Masters und Virginia Johnson (1970), welche auch unter der Bezeichnung „Sexualtherapie“ bekannt wurde. Das achtstufige Verfahren beinhaltet kognitive, verhaltenstherapeutische sowie auch kommunikative Techniken und setzt direkt beim sexuellen Problem an. Innerhalb von ca. 15 bis 20 Therapiestunden (Kurzzeittherapie) werden folgende standardmäßig angewandt:
- Diagnostik und Problemanalyse: Zuerst werden mögliche organische Probleme in einer medizinischen Untersuchung abgeklärt bzw. ausgeschlossen. Des Weiteren wird die bisherige sexuelle Erfahrung erfragt, um mögliche Ursachen und aufrechterhaltende Faktoren aufzudecken. Es kann dazu kommen, dass auch der Partner aktiv in die Therapie miteinbezogen wird.
- Beidseitige Verantwortlichkeit: Der Patient/die Patienten sollen zur Einsicht gelangen, dass immer beide Partner zum sexuellen Problem beitragen, egal bei wem die sexuelle Funktionsstörung auftritt. Somit ist es immer hilfreicher, wenn beide die Therapie in Angriff nehmen.
- Information über Sexualität: Mit Hilfe von Gesprächen, Büchern und Videos versucht der Therapeut schließlich dem Patienten das Wissen zu Anatomie und Physiologie der sexuellen Reaktionen näher zu bringen.
- Einstellungsänderung: In den nächsten Schritten sollen die Patienten ihre Einstellungen zur Sexualität, die augenscheinlich zur Hemmung der sexuellen Erregung und Lust beitragen, äußern. Der Therapeut versucht diese Einstellungen durch bestimmte Übungen zu verändern.
- Beseitigung von Leistungsangst und der Beobachterrolle: Vor allem bei Männern scheinen diese Faktoren eine Erregung zu erschweren und bestimmte sexuelle Funktionsstörungen aufrechtzuerhalten. Mit Hilfe von Techniken, wie „sensorische Fokussierung“ und „nicht forderndes Lustspenden“, sollen zunächst sexuelle Begegnungen auf Umarmungen, Küssen und Massagen des Körpers (ohne das Berühren von Brust oder Intimbereich) reduziert werden. Erst nach und nach werden weitere Handlungen erlaubt und somit die sexuelle Lust allmählich gesteigert.
- Verbesserung der sexuellen Kommunikationstechniken: Zudem übt der Therapeut mit den Patienten neue Strategien ein, wie Patienten auch während dem Geschlechtsakt miteinander kommunizieren können. Bei der sensorischen Fokussierung soll der Patient z.B. die Hand seines Partners führen. So kann er Geschwindigkeit, Druck und Ort der Liebkosungen und Streicheleinheiten bestimmen. Schließlich sollen verbale Hinweise immer positiv und informativ formuliert werden (sagen, was einem gefällt und dass es einem gefällt).
- Veränderung eines möglichen destruktiven Lebensstils und beeinträchtigender partnerschaftlicher Interaktionen: Natürlich werden in der Therapie auch die Lebensumstände des Patienten berücksichtigt und – wenn möglich – bearbeitet.
- Bearbeitung körperlicher und medizinischer Faktoren: Bereits zu Beginn der Therapie werden mögliche Faktoren, wie Krankheiten, Verletzungen, Medikamenteneinnahmen oder möglicher Substanzmissbrauch, die einen Einfluss auf die Ausbildung einer sexuellen Funktionsstörung haben können, abgeklärt und entsprechend damit umgegangen.
Bei der Behandlung der Dyspareunie sollte immer vorab eine medizinische, gynäkologische Untersuchung erfolgen, um mögliche Narben oder Verletzungen bestimmen zu können. In der Therapie werden den Betroffenen neue Stellungen für den Geschlechtsakt näher gebracht, so dass die schmerzenden Stellen möglichst nicht tangiert werden.