Merkmale
Das wesentliche Merkmal der akuten Belastungsreaktion ist eine vorübergehende, schwere psychische Beeinträchtigung, die in einem engen zeitlichen Zusammenhang mit einem besonders belastenden Ereignis auftritt. Das auslösende Ereignis kann ein traumatisierendes Erlebnis sein, bei dem man selbst einer Bedrohung ausgesetzt ist oder aber eine Gefährdung anderer Personen beobachtet. Dies kann beispielsweise eine Naturkatastrophe, ein Unfall, eine Vergewaltigung oder ein Verbrechen sein. Aber auch Ereignisse wie der plötzliche Verlust der sozialen Stellung oder des Beziehungsnetzes (z.B. Todesfälle in der Familie) können eine akute Belastungsreaktion auslösen.
Das Risiko mit einer akuten Belastungsreaktion auf ein traumatisierendes Ereignis zu reagieren ist von Person zu Person unterschiedlich. Nicht bei allen Personen lässt sich nach einem traumatischen Ereignis eine starke psychische Beeinträchtigung beobachten. Die Schwere, Dauer und Nähe der Person bei der Konfrontation mit dem traumatischen Ereignis, sowie die zur Verfügung stehenden Bewältigungsmechanismen und die individuelle Vulnerabilität, spielen beim Auftreten und der Schwere der akuten Belastungsreaktion eine wesentliche Rolle. Zusätzliche Risikofaktoren können eine gleichzeitige körperliche Erschöpfung und organische Beeinträchtigungen (z.B. bei älteren Leuten) sein.
Unterschiedliche Symptome
Es können sehr unterschiedliche Symptome beobachtet werden. Typischerweise beginnen sie mit einem Gefühl von „Betäubung“ und Empfindungslosigkeit. Des Weiteren kann eine Beeinträchtigung des Bewusstseins und der Aufmerksamkeit auftreten, es können keine Reize verarbeitet werden und die betroffene Person kann desorientiert sein. Danach tritt ein sehr wechselndes Bild auf, häufig sind depressive Symptome, Angst, Ärger, Verzweiflung und Aggressionen. Keines der Symptome ist längere Zeit vorherrschend. Manche Personen reagieren mit starken Rückzugstendenzen (bis hin zu einem dissoziativer Stupor), andere mit Überaktivität und Unruhe (bis hin zu einer Fluchtreaktion oder dissoziativen Fugue). Begleitet wird dieser Zustand von charakteristischen Angstsymptomen wie Herzrasen, Schwitzen, Erröten und Übelkeit. Es kommt vor, dass sich Betroffene nicht oder nur teilweise an das Trauma erinnern können (dissoziative Amnesie). Häufig leiden Betroffene an Schuldgefühlen überlebt zu haben oder nicht genug geholfen zu haben, wenn bei dem traumatischen Ereignis Menschen zu Tode gekommen sind.
Weitere Informationen zu den verschiedenen psychischen Erkrankungen finden Sie im Bereich Wissen.
Verlauf
Bei der akuten Belastungsreaktion treten die Beschwerden meist innerhalb von Minuten nach dem traumatisierenden Erlebnis auf, beginnen nach 24-48 Stunden abzuklingen und sind gewöhnlich nach drei Tagen kaum noch vorhanden. Eine akute Belastungsreaktion hat keinen Krankheitswert und wird oft als normale Reaktion auf eine außergewöhnlich schwere psychische Belastung verstanden.
Bei der Belastungsstörung dauern die Symptome bis zu vier Wochen an. Zusätzlich zu den akuten Angstsymptomen wird das Trauma in der Erinnerung, in Träumen oder Nachhallerinnerungen ständig wiedererlebt und in Folge dessen werden alle Reize, die an das Trauma erinnern könnten, vermieden. Außerdem treten Symptome von Übererregbarkeit auf, wie z.B. Schlafstörungen, Schreckhaftigkeit, Reizbarkeit, Konzentrationsschwierigkeiten und motorische Unruhe.
Wenn die Symptome länger als vier Wochen anhalten, kann eine posttraumatische Belastungsstörung diagnostiziert werden. Ca. 80% der Personen, die nach einem Autounfall oder Gewaltverbrechen eine akute Belastungsstörung zeigten, entwickelten nachfolgend eine Posttraumatische Belastungsstörung.
Zahlen
Es gibt nur wenige Studien über die Prävalenz der akuten Belastungsstörung. Es wird angegeben, dass zwischen 14% und 33% aller Personen nach einem schweren Trauma eine Belastungsstörung zeigen.
Subtypen
Bei diesem Störungsbild werden keine Subtypen unterschieden.
Therapie
Die psychische Beeinträchtigung nach einem traumatischen Ereignis wird oft als normale Reaktion auf eine außergewöhnlich schwere Belastung gewertet und ist in der Regel nicht therapiebedürftig. Die Notfallseelsorge und Notfallpsychologen beraten und stützen Betroffene (Opfer, Angehörige, Beteiligte, Helfer) in Krisensituationen. Diese Unterstützung kann es den Betroffenen erleichtern die traumatischen Eindrücke und Erlebnisse zu verarbeiten.
Eine Krisenintervention erfolgt in mehreren und aufeinander aufbauenden Schritten. Dazu gehört es zunächst, den Anlass bzw. den Auslöser der Krise zu verstehen und eine gemeinsame Krisendefinition zu erarbeiten. In weiteren Schritten sollen die Gefühle ausgedrückt werden, Bewältigungsstrategien reaktiviert bzw. Ressourcen gestärkt werden, eine Konfrontation mit der Realität stattfinden, nach neuen Lösungen gesucht werden und abschließend Bilanz gezogen werden. Gehen die Symptome innerhalb der ersten Wochen nach dem Trauma nicht zurück, bzw. treten mit zeitlicher Verzögerung Symptome wie das Wiedererleben des Traumas auf, ist es ratsam von professioneller Seite zu prüfen, ob eine posttraumatische Belastungsstörung vorliegt.