Merkmale
Das wesentliche Merkmal der Hypersomnie ist eine übermäßige Schlafneigung oder Schlafanfälle während des Tages, die nicht durch eine ungenügende Schlafdauer erklärbar sind, oder eine verlängerte Übergangszeit vom Aufwachen zum völligen Wachsein. Für die Diagnose einer Hypersomnie müssen die Schlafprobleme täglich, mindestens einen Monat lang oder in wiederkehrenden Perioden kürzerer Dauer auftreten und beim Betroffenen einen Zustand von deutlicher Erschöpfung oder Beeinträchtigungen im sozialen, beruflichen oder in anderen wichtigen Bereichen zur Folge haben. Von ärztlicher Seite müssen Symptome einer Narkolepsie oder Schlafapnoe sowie neurologische oder internistische Ursachen ausgeschlossen werden.
Häufig tritt eine Hypersomnie in Zusammenhang mit einer anderen psychischen Störung (häufig depressive Störung) auf. Wenn die Hypersomnie ein vorherrschendes Symptom der zugrundeliegenden Störung ist, kann sie zusätzlich diagnostiziert werden. Informationen zu weiteren psychischen Erkrankungen finden Sie auf psycheplus im Bereich Wissen.
Bei Personen mit einer Hypersomnie kann die Dauer der Hauptschlafperiode bis zu 12 Stunden dauern, was häufig zu Problemen beim morgendlichen Aufwachen führt. Die Qualität des Schlafes ist jedoch nicht beeinträchtigt. Tagsüber leiden die Betroffenen unter übermäßiger Schläfrigkeit, die verbunden ist mit gewollten oder ungewollten Schlafepisoden während des Tages, welche tendenziell relativ lang sind (meist 1 Stunde oder länger). Diese Schlafepisoden werden nicht als erholsam empfunden und reduzieren die Schläfrigkeit nicht. Die ungewollten Schlafepisoden treten meist bei geringer Aktivität auf, also z.B. bei Vorträgen, beim Lesen oder Fernsehen, wobei sich die Schläfrigkeit meist langsam entwickelt und nicht als plötzliche „Schlafattacke“ auftritt.
Die Schlafstörung kann zu einer bedeutsamen Belastung in der Arbeit oder im sozialen Bereich führen. So kann es beispielsweise vorkommen, dass der Betroffene zu spät zur Arbeit kommt oder seinen Verpflichtungen aufgrund der übermäßigen Schläfrigkeit nur unzureichend nachkommen kann. Ungewollte Schlafepisoden können sogar gefährlich werden, wenn Sie z.B. während dem Autofahren auftreten. Auch Alltagsaktivitäten können durch die Folgeerscheinungen der Hypersomnie, wie z.B. die verminderte Konzentration, mangelnde Gedächtnisleistung und geringe Effizienz, gestört sein. Betroffenen kann es zudem passieren, dass Angehörige und Freunde die Schläfrigkeit als Langeweile oder Faulheit fehlinterpretieren, weshalb die Hypersomnie auch im sozialen Bereich negative Auswirkungen haben kann.
Eine nichtorganische Hypersomnie tritt häufig in Kombination mit einer Depression oder einer Störung durch psychotrope Substanzen (z.B. Alkohol, Drogen, Koffein) auf. Betroffene versuchen nicht selten, sich durch die Einnahme dieser Substanzen selbst zu behandeln. Informationen zu weiteren psychischen Erkrankungen finden Sie auf psycheplus im Bereich Wissen.
Verlauf
Die nichtorganische Hypersomnie beginnt normalerweise zwischen dem 15. und 30. Lebensjahr und verschlimmert sich meist innerhalb der ersten Wochen und Monate. Wird die Schlafstörung nicht behandelt, hat sie meist einen chronischen und stabilen Verlauf. Das Kleine-Levin-Syndrom entwickelt sich ebenfalls während der Adoleszenz und kann mit periodischem Verlauf über Jahrzehnte fortbestehen. Meist bildet sich die Störung im mittleren Lebensalter wieder zurück.
Zahlen
Über die Prävalenz der nichtorganischen Hypersomnien in der Allgemeinbevölkerung gibt es keine Zahlen. In Kliniken für Schlafstörungen beträgt sie bis zu 10%. Das Kleine-Levin-Syndrom kommt selten vor und betrifft Männer ca. dreimal häufiger als Frauen.
Subtypen
Eine besondere Form der nichtorganischen Hypersomnie ist die rezidivierende Hypersomnie (Kleine-Levin-Syndrom). Diese Form der Hypersomnie kennzeichnet Perioden übermäßiger Schläfrigkeit, die mindestens 3 Tage dauern, einige Male im Jahr und seit mindestens 2 Jahren auftreten. Zwischen den Perioden sind Schlafdauer und Wachheit am Tage völlig unauffällig.
Therapie
Es gibt eine ganze Reihe von schlafspezifischen Therapiemöglichkeiten. Zunächst werden dem Patienten die Regeln des gesunden Schlafes vermittelt (Schlafhygiene). Dazu zählen u.a. feste Aufsteh- und Zubettgehzeiten und kein Alkohol oder Kaffee vor dem Schlafen.
Eine weitere wichtige Grundlage für die Therapie einer Schlafstörung, wie der Hypersomnie, sind gründliche Informationen und die Aufklärung des Patienten (Schlafedukation) zu folgenden Fragen:
- Was ist eigentlich normaler, gesunder Schlaf?
- Wie genau ist mein eigener Schlaf beschaffen?
- Welche Ursachen gibt es für meine Schlafprobleme?
Bei der Behandlung von Hypersomnie wird auch das sogenannte „Müdigkeitsmanagement“ angewendet. Dabei geht es darum, dass die Patienten lernen ihren Tagesablauf besser auf ihre Krankheit hin zu planen und zu strukturieren. Besonders wichtige Arbeiten und Aufgaben sollen bewusst in den Zeiten erhöhter Wachheit durchgeführt werden, während Routinetätigkeiten eher in Zeiträumen nachlassender Wachheit erledigt werden können. Darüberhinaus lernen die Patienten vorsichtig mit Nahrungs- und Genussmitteln umzugehen, da bestimmte Kohlenhydrate und auch Alkohol ermüdend wirken. Da eine Hypersomnie auch auf die Lebenspartner massive Auswirkungen hat, ist es besonders wichtig auch die Angehörigen in die Therapie mit einzubeziehen.
Im Zuge verhaltenstherapeutischer Strategien, wie sie auch bei anderen Störungsbildern verwendet werden, sollen die Patienten ihre Ressourcen entdecken und nutzen, ihren Umgang mit Stress bzw. Spannung und Entspannung optimieren und Aktivitäten aufbauen und fördern. Daneben sollen auch unrealistische Gedanken, die zu einer erhöhten Anspannung führen, erkannt und verändert werden.
Auch Entspannungstechniken werden bei Schlafstörungen erfolgreich eingesetzt, da sie dazu beitragen, dass das erhöhte Erregungsniveau, das sich z.B. in Muskelverspannung, Unruhe und Nervosität äußert, verringert wird. Zu den bekanntesten gehören die Progressive Muskelentspannung nach Jacobsen und das Autogene Training.