Merkmale
Das Hauptmerkmal der Trichotillomanie ist das wiederholte Ausreißen einzelner Haare oder ganzer Haarbüschel. Oft werden nur speziell ausgesuchte Haare, wie z.B. graue Haare oder Haare mit unregelmäßiger Struktur ausgerissen. Die Folge der Trichotillomanie können kaum sichtbare Stellen mit ausgedünntem Haar bis hin zu völliger Kahlheit sein. Am häufigsten sind die Kopfhaare, Augenbrauen und Wimpern betroffen, grundsätzlich können jedoch alle Körperregionen, wie auch die Achsel- oder Schambehaarung betroffen sein.
Betroffene erleben ein zunehmendes Gefühl der Spannung vor dem Haareausreißen bzw. bei dem Versuch dem Impuls zu widerstehen. Währenddessen bzw. danach folgt ein Gefühl der Entspannung oder Befriedigung. Oftmals ist jedoch nicht das Ausreißen selbst entscheidend, sondern die orale Stimulation, die nach dem Ausreißen folgt (z.B. Haar durch die Zähne oder Lippen ziehen oder Wurzel abbeißen).
Das Ausreißen der Haare kann in kurzen Episoden auftreten, die sich über den Tag hinweg verteilen oder auch in selteneren, aber dafür länger dauernden Episoden (bis zu mehreren Stunden) auftreten. Von Trichotillomanie betroffene Personen führen das Haareausreißen meist nicht im Beisein Anderer aus, höchstens von nahestehenden Angehörigen, was zu einem sozialem Rückzug führen kann.
Betroffene empfinden meist ein ausgeprägtes Schamgefühl, was dazu führt, dass bestimmte Dinge, wie Schwimmbad-, Sauna- und Friseurbesuche, Sport mit anderen oder intime Beziehungen vermieden werden. Der Haarausfall wird meist vertuscht (z.B. durch Perücken, Kopfbedeckung oder Kosmetik) und die Problematik verschwiegen oder geleugnet. Zusätzlich kann es sein, dass Betroffene Nägel kauen, Kratzen, Haut abzupfen, Haare essen oder Haarsträhnen zwischen den Zähnen durchziehen oder anderen Personen, Gegenständen (z.B. Puppe oder Teppich) oder Haustieren Haare ausreißen.
Zusammen mit einer Trichotillomanie können affektive Störungen (z.B. Depression), Angststörungen, Störungen durch psychotrope Substanzen, Essstörungen, Persönlichkeitsstörungen und geistige Behinderung auftreten.
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Verlauf
Vorübergehende Perioden des Haarausreißens können bereits bei Kindern auftreten, diese gehen jedoch meist von selbst wieder vorbei. Bei Erwachsenen tritt die Störung meist erstmalig in der Adoleszenz auf. Die Trichotillomanie kann einen sehr unterschiedlichen Verlauf haben. Die Symptome der Trichotillomanie können über Jahrzehnte hinweg, aber auch wochen-, monats-, oder jahresweise auftreten und auch wieder zurückgehen. Auch die betroffenen Stellen können von Periode zu Periode unterschiedlich sein.
Zahlen
Es gibt nur wenige Erhebungen zur Prävalenz der Trichotillomanie. Neuere Studien gehen von 1,6% bei Männern und 3,5% bei Frauen aus.
Subtypen
Bei diesem Störungsbild werden keine Subtypen unterschieden.
Therapie
Für die Behandlung einer Trichotillomanie haben sich die kognitive Verhaltenstherapie und eine medikamentöse Behandlung als erfolgreich erwiesen. Da es bei der medikamentösen Behandlung nach Absetzen häufig zu einer Verschlechterung der Symptomatik kommt und auch nach fortlaufender Einnahme Behandlungserfolge wieder abnehmen können, ist in jedem Fall eine kombinierte Verhaltenstherapie ratsam.
In einer kognitiven Verhaltenstherapie werden zunächst die Ursachen, Auslöser und aufrechterhaltenden Faktoren und Bedingungen sowie die Funktionen der Symptomatik der Trichotillomanie analysiert. Darauf aufbauend wird die Behandlung individuell auf den Patienten abgestimmt, beispielsweise kann der Fokus verstärkt auf die Klärung und Bearbeitung der zugrundeliegenden Probleme ausgerichtet sein oder sich auf die Verbesserung der Symptomatik des Haareausreißens beschränken.
Unter den symptomorientierten Methoden hat sich das „Habit Reversal Training“ besonders gut bewährt. Diese Methode kombiniert verschiedene Techniken in fünf Schritten. Diese Schritte umfassen:
- Aufmerksamkeitstraining
- das Erlernen einer konkurrierenden Reaktion
- Entspannungstraining
- Verstärkung
- Generalisierungstraining
Ziel ist es, dass der Patient lernt, den aufkommenden Impulsen sich die Haare auszureißen, zu widerstehen. Bei vielen Patienten ist nicht von einer völligen Symptomfreiheit am Ende der Therapie auszugehen, sondern eher von einer starken Reduktion der Symptome.